Hätten die alte oder uralten Griechen schon das Kartenspiel gekannt, wäre uns wahrscheinlich ein Mythos überliefert worden, bei dem es darum gehen würde, dass ein Götter-Trio, sagen wir: Zeus, Poseidon und Hermes, beim Kartenspiel sitzt und plötzlich, aus welchen Gründen auch immer, aus dem Stapel Karten ein Hase, gefolgt von einem Jagdhund, hervorspringt, wobei der Hase einer zu sein hätte, den kein Jagdhund erjagen und der Jagdhund einer wäre, dem kein Hase entwischen kann – wir kennen das Dilemma aus einer anderen, tatsächlich tradierten Geschichte. Wegen der zivilisations- und kulturhistorischen Entwicklung der Spiele-Hardware war es aber erst dem irischen Schriftsteller W. B. Yeats vergönnt, die Geschichte vom Hasen und dem Hund zu notieren und in einem Sammelband mit dem Titel Mythologies zu veröffentlichen. Aber kann man eine von einem kauzig-exzentrischen, in Armut dahinvegetierenden irischen Häusler gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts erzählte Geschichte einen Mythos nennen? Wenn es für Yeats Mythen waren, warum nicht auch für uns.
Wir legen uns ein Adonisgärtchen an
Wer übrigens nach Anfang Juni, also vor der sogenannten Sommersonnenwende, noch kein Adonisgärtchen hat, sollte sich umgehend eines anlegen. Man benötigt dazu nur einen mit Erde gefüllten Blumentopf oder Balkonkasten. Dahinein säe man die rasch keimenden Samen einiger schnell ins Kraut schießender und alsbald wieder vergehender Pflänzlein – in jedem Baumarkt kann man sie bekommen. (Man sage aber der Verkäuferin, falls man eine findet, nicht, dass man die Samen in einem Adonisgärtlein aussäen wolle. Sie würde einen nur verständnislos ansehen oder, so man männlichen Geschlechts und nicht ihr Typ ist, Anzeige wegen sexueller Belästigung erstatten.) Die symbolische Bedeutung eines Adonis-Topf-Gartens liegt ebenso auf der Hand wie auf der Zunge, ich sage hier nur: Werden und Vergehen.
Der bildhübsche Adonis war nämlich auch kaum geworden, als er schon wieder verging, jedoch nicht ohne dass Aphrodite und Persephone Gelegenheit gefunden hätten, sich in ihn zu verlieben und um ihn zu zanken. Zeus sprach ein Machtwort und sagte zu dem frühreifen Bürschlein: Bis drei wirst du ja wohl schon zählen können. Also verbringst du ein Drittel des Monats bei Aphrodite im siebten Himmel der Liebe, während des zweiten Drittels lässt du dir von Persephone die lauschigsten Winkel des Hades zeigen und im letzten Drittel machst du, was du willst. Aber geh nicht in den Garten des Ares, denn das wäre für dich mit Einsichten und Erkenntnissen verbunden, die du dir so lange wie möglich ersparen solltest.
Nachdem Adonis wie befohlen erst zehn Tage und Nächte bei Aphrodite und dann von ihm geschätzte 240 Schäfer-Stunden im Halbdunkel der Herrin der Unterwelt verbracht hatte, ging er natürlich schnurstracks in den verbotenen Garten des Kriegsgotts Ares, wo dieser als der gehörnte Beischläfer der Aphrodite (welche bekanntlich dem Hephaistos vermählt war) in Gestalt eines wilden Gärtners hinter einer Eberesche auf den Liebhaber seiner Geliebten wartete, um diesen erst niederzumähen und anschließend durch den Häcksler zu jagen.