Mythos heißt Zusammenziehung, sagt Thomas Mann, notiert Sloterdijk

„Im Vorwort zum Joseph-Roman macht Thomas Mann eine Bemerkung, die mir jetzt mehr einleuchtet als bei früherer Lektüre […]: Für die mythische Rede sei das ‚Gesetz der Zusammenziehung‘ gültig. Das besagt, aus dem ähnlichen wird im Mythos das gleiche, ja dasselbe. Während die historische Rede in jedem Detail das immer wieder andere hervorhebt, als wolle sie die Möglichkeit der identischen Wiederholung bestreiten, betont der Mythos das Immergleiche. Er hat die Mission, die Differenzen so lange zu schwächen, bis es unter der Sonne tatsächlich nichts Neues gibt. Der effektive Mythos macht die Einzelheiten vernachlässigbar, gute Geschichtsschreibung dagegen läßt den Widerstreit zwischen dem Einmaligen und dem Typischen hervortreten.“ (Sloterdijk 2018, S. 72, 13.6.2011)

„Das ‚Prinzip der Zusammenziehung‘ macht es möglich, den neptunischen Flutschrecken mit dem meteorischen Sternenschrecken in eins zu setzen.“ (Sloterdijk 2018, S. 84, 29.6.2011)